Seit 2015 beschäftige ich mich intensiv mit Dritten Orten. Ich habe die Entwicklung von Bibliotheken zu Dritten Orten begleitet und an der Konzeption und Umsetzung neuer Projekte mitgearbeitet (→ Beispielprojekte).
Was sind Dritte Orte?
Der US-amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg nennt so in seinem 1989 erschienenen Buch “The Great Good Place” Orte, die weder das Zuhause noch der Arbeitsplatz sind. Es sind Treffpunkte für die Gemeinschaft, die allen offen stehen und von den Menschen mitgestaltet werden, die sie nutzen. Oldenburg hatte dabei vor allem Biergärten, Kaffeehäuser und Pubs im Blick. Bibliotheken haben das Konzept des Dritten Orts seit etwa 2015 adaptiert und für sich weiterentwickelt. In Bibliotheken können alle Gesellschaftsschichten zusammenkommen, und es gibt keinen Konsumzwang – ähnlich etwa wie in einem Park. Das macht sie zu einer idealen Plattform für die Idee des Dritten Ortes.
Open Library
In Bibliotheken ist der Ausbau zum Dritten Ort häufig verbunden mit dem Konzept der “Open Library”. Der Raum an sich hat sich als wertvolles Angebot der Bibliotheken erwiesen, deshalb versuchen wir maximalen Zugang dazu zu gewähren. Konkret bedeutet das vor allem verlängerte Öffnungszeiten ohne die Anwesenheit von Personal, etwa von 7 bis 22 Uhr. Dadurch können alle Interessierten die Räume großzügiger und eigenständiger nutzen.
Umsetzung
Beim Neubau von Bibliotheken kann es sinnvoll sein, den Außen- und den Innenbau zu trennen. Die Ausschreibungen sind meistens so formuliert, dass sie vor allem Auskunft darüber geben, wie das Gebäude im Stadtbild erscheinen soll. Diese Fragen sind wichtig, haben aber wenig mit dem zu tun, was im Inneren einer Bibliothek später tatsächlich passiert. Ein Baudenkmal-Charakter der äußeren Architektur wirkt sich bis nach innen aus: Es entsteht ein Kunstwerk, in dem – um einen besonders ungünstigen Fall aus der Praxis zu nennen – bis hin zum Arrangement der einzelnen Stühle alles fest vorgegeben ist.
Bei ihrem Entwurf denken die Menschen, die in Architekturbüros arbeiten, oft an den schönsten Lesesaal, den sie aus ihrem Studium kennen. Eine öffentliche Bibliothek aber hat einen ganz anderen Charakter. Das von der Universitätsarchitektur abgeleitete Bibliothekskonzept einer “Wissensburg” oder “Kathedrale des Wissens” führt hier zu einer unvorteilhaften Akustik und anderen Problemen in der täglichen Arbeit.
Das Konzept einer Dritter-Ort-Bibliothek, wie es vor allem der niederländische Architekt und Bibliotheksdesigner Aat Vos bekannt gemacht hat, ist ein Gegenentwurf zu dieser Vorgehensweise. Die Menschen, die in der Bibliothek arbeiten, werden nicht erst nach dem Abschluss des Designprozesses befragt und dürfen dann allenfalls noch eine Regalreihe verschieben. Die Ziele der Arbeit werden vor dem Beginn der architektonischen Entwurfsarbeit ermittelt, gemeinsam mit dem Team der Bibliothek und mit den Menschen, die die Bibliothek nutzen (oder in Zukunft nutzen könnten). Welche Bedürfnisse gibt es? Was könnte man in Zukunft tun, welche Bedürfnisse werden bisher nicht erfüllt, welche Zielgruppen nicht angesprochen? Welche Atmosphäre sollen die Räume ausstrahlen? Was ist das sinnstiftende Motto, was das Ziel, woran glauben die Beteiligten? Dieser Prozess erschließt auch das Spezialwissen der Mitarbeitenden über funktionierende Elemente der Inneneinrichtung. So kommt man zu völlig anderen Entwürfen, die in einem Prozess entstehen anstatt auf dem Papier. Eine funktionierende, moderne öffentliche Bibliothek hat den Charakter eines Wohnzimmers: Die Menschen halten sich dort gern auf.
Zusammenarbeit mit Architekturbüros
Ich kooperiere seit 2015 mit dem niederländischen Architekten und Bibliotheksdesigner Aat Vos und seinem Unternehmen includi. Unter anderem haben wir bei der Neugestaltung der Bibliotheken Hubland Würzburg und Köln Kalk zusammengearbeitet. Weitere Kooperationen mit Architekturbüros: die EKZ Reutlingen, baulampe architekten (Bielefeld) und sol•id•ar Planungswerkstatt (Berlin). Mehr Details → Beispielprojekte. Wenn Sie als Architekt:in an einem Bibliotheksprojekt arbeiten und über die spezifischen Anforderungen von öffentlichen oder wissenschaftlichen Bibliotheken sprechen möchten, nehmen Sie gern Kontakt auf.